Auswertung der Statistik von 2019

Anlässlich des Aktionstages erreichten uns 215 Einsendungen mit insgesamt 229 gemeldeten Fällen von Gewalt im Kontext von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett.

Trigger-Warnung: diese Seite enthält Beschreibungen von gewaltvollen Handlungen an Gebärenden.

Auf diese 229 Meldungen entfielen:

  • 202 Klinikgeburten
  • 2 Geburten im Geburtshaus
  • 1 Hausgeburt
  • 8 gynäkologische Untersuchungen in der Schwangerschaft
  • 16 Meldungen ohne Angaben

Der Anteil von Berichten über Gewalt in der außerklinischen Geburtshilfe ist mit 1,3% ähnlich hoch wie der Anteil außerklinischer Geburten in Deutschland (<2%). Prozentual wurden also in der klinischen und außerklinischen Geburtshilfe etwa gleich viele Fälle gemeldet, was zeigt, dass eine außerklinische Geburt nicht unbedingt vor Gewalt schützt.

Eine Auswertung über den Anteil der gemeldeten Geburtskliniken konnte 2019 nicht erfolgen.

133 Rosenniederlegungen wurden dokumentiert.

188 Geburtsberichte wurden uns insgesamt zur Verfügung gestellt. Diese Berichte liegen der folgenden Auswertung zugrunde.

Wir weisen explizit darauf hin, dass alle folgenden Zahlen auf den Aussagen der betroffenen Mütter oder auf Zeugenaussagen von Beteiligten beruhen und sich alle Prozentzahlen nur auf die Schnittmenge der 188 ausgewerteten Berichte beziehen, nicht auf Geburten in Deutschland allgemein.

Während diesen 188 Geburten fanden 435 Interventionen verschiedenster Art statt. Das entspricht einem Durchschnitt von 2,3 Interventionen pro Geburt.

Von diesen 435 Interventionen erfolgten 80% laut Angaben der Betroffenen ohne Zustimmung der werdenden Mutter, 40,9% explizit ohne Aufklärung. Den Schilderungen nach wurden 30,3% der Interventionen mutmaßlich fehlerhaft ausgeführt (z.B. unsachgemäße Anwendung des Kristellerhandgriffes)

Auswertung nach Maßnahmen:

Es wurden 46 Kaiserschnitte gemeldet. Dies entspricht 24,5% der erfassten Geburtsberichte.

  • Dabei erfolgten 37% dieser Kaiserschnitte ohne Aufklärung und rechtswirksame Zustimmung der Schwangeren,
  • 21,7% sogar explizit gegen den Willen der Gebärenden.
  • Fast jeder 5. gemeldete Kaiserschnitt (19,5%) wurde ohne ausreichende Betäubung und bei fast vollständig vorhandenem Schmerzempfinden der werdenden Mutter durchgeführt.
  • Nur bei einer einzigen Mutter (von 9) wurde die OP nach dem ersten Schnitt abgebrochen und umgehend eine Vollnarkose eingesetzt.
  • 12 der 188 Frauen berichten zudem, dass ihnen der Wunsch nach einem Kaiserschnitt von den Geburtshelfern verwehrt wurde. Bei 9 weiteren Geburten versuchten die Geburtshelfer erfolglos, die Gebärende zum Kaiserschnitt gegen ihren Willen zu zwingen.

26,9% der Berichte bzw. 47 Frauen erwähnen erzwungene Rückenlage während der Geburt.

  • In gut 60% dieser Fälle stand die Rückenlage ausdrücklich in Verbindung mit einem Dauer-CTG.
  • Bei 27,7% der Geburten in Rückenlage wurden die Gebärenden dazu angehalten, still zu liegen, damit das CTG besser aufzeichnen kann.
  • 21% wurden dabei grob festgehalten,
  • 35% der berichtenden Mütter beschreiben grobe Handgriffe der Geburtshelfer bei teils ungewollten Positionswechseln (z.B. Hochlagern der Beine).
  • 8 von 47 Müttern wurden dabei gegen ihren Willen fixiert.
  • Jeder vierten Frau wurde die Unterstützung für einen gewollten Positionswechsel verweigert, u.a. auch Hilfe beim Aussteigen aus der Gebärwanne.
  • Nur 4 von 47 Frauen gebaren ihre Kinder in erzwungener Rückenlage ohne größere Geburtsverletzungen und Folge-Interventionen wie Wehentropf, Dammschnitt, Kristellern, Saugglocke oder Kaiserschnitt. Das entspricht 8,5%.

Insgesamt berichteten 46 Frauen (24,5% der Berichte) von durchgeführten Kristeller-Manövern.

  • 87% davon erfolgten ohne Aufklärung und Zustimmung, meist sogar ohne vorherige Ankündigung.
  • Anhand der Beschreibungen der Betroffenen wurden 76% der Kristeller-Manöver mutmaßlich nicht korrekt ausgeführt, sondern statt der flachen Hand z.B. Unterarme, Ellenbogen, Knie, Bettlaken-Schlingen oder gar das ganze Körpergewicht eines ausführenden Geburtshelfers eingesetzt.
  • Jede 5. kristellerte Frau dabei berichtet von körperlichen Folgeschäden. Unter anderem gaben 2 Frauen Rippenbrüche nach dem Kristellern an.

In 17,5% der Berichte wurde eine PDA gelegt. Das entspricht 33 Geburten.

  • Bei 18% der PDAs gab es keine Aufklärung und rechtswirksame Zustimmung durch die werdende Mutter.
  • 30% der PDAs wurden laut den Berichten unter Zwang ausgeführt.
  • Ganze 42% der Geburtsverläufe mit PDA endeten im Kaiserschnitt.
  • 10 Frauen wurde eine PDA verweigert, ohne dass ihnen dafür medizinische Gründe genannt wurden.

Gut 16% der Gebärenden (30 Frauen) erhielten einen Wehentropf.

  • Davon wurden 60% ohne Einwilligung der Gebärenden und 63,3% ohne Aufklärung gelegt.
  • In 53% der geschilderten Fälle führte der Tropf zu einem hyperaktiven Wehensturm und erheblichen Schmerzen.
  • Jeder 4. Wehentropf wurde ohne Absprache mit der Gebärenden mehrmals in der Dosierung gesteigert.
  • Ein Wehentropf wurde einer Gebärenden sogar heimlich im Schlaf angelegt.

27 der berichtenden Frauen (14,4%) erhielten einen Dammschnitt.

  • Davon wurden 92,6% ohne Aufklärung und Zustimmung durchgeführt, meist auch ohne vorherige Ankündigung.
  • Nur in 2 Fällen lag dafür ein der Mutter bekannter medizinischer Grund für den Dammschnitt vor.
  • Eine Mutter berichtet, dass die Hebamme bewusst einen unnötigen Dammschnitt setzte, um der Gebärenden „eins auszuwischen“, weil diese sich erfolgreich gegen einen medizinisch nicht notwendigen Kaiserschnitt gewehrt hatte.

18 Frauen (ca. 10% der Berichte) erhielten keine ausreichende Betäubung für das Nähen ihrer Geburtsverletzungen.

Knapp 12% der berichtenden Frauen (22) wurden Schmerzmittel verweigert. Ebenso viele erhielten Medikamente ohne Absprache verabreicht.

  • Jede 4. dieser nicht abgesprochenen Medikationen erfolgte durch eine unangekündigte direkte Injektion / Spritze.
  • In 36% der 22 Fälle handelte es sich um nicht abgesprochene Gaben von Oxytocin (Wehentropf),
  • 27% waren starke Opiate.
  • In 36% der Fälle kam es zu starken unerwünschten Nebenwirkungen.

Jede 5. Frau berichtet von schmerzhaften vaginalen Untersuchungen.

  • 40% davon geschahen gegen den Willen der Frauen und wurden trotz Bitte um Beendigung fortgesetzt.
  • 37% davon dienten der nicht abgesprochenen manuellen Dehnung des Muttermundes
  • 26% davon berichten von sehr häufigen Untersuchungen
  • In 18% dieser Fälle wurden Frauen ohne Absprache zu Ausbildungszwecken jeweils von mehreren Personen untersucht
  • 8 Frauen berichten von Beobachtern zu Ausbildungszwecken im Kreißsaal ohne Absprache

26 Geburten wurden mit einer Einleitung begonnen. Das entspricht 13,8%.

  • Die Hälfte der Einleitungen endete mit einem Kaiserschnitt.
  • 7 Mütter wurden zur Einleitung gedrängt bzw. gegen ihren Willen eingeleitet. Das ist jede 4. gemeldete Einleitung.
  • 15% der Einleitungen fanden ohne Aufklärung statt
  • 3 Frauen konnten den Versuch einer erzwungenen Einleitung abwenden.

23 Geburten (12%) wurden mit Saugglocke oder Zange beendet.

  • Davon 19 (82%) ohne Aufklärung
  • und 16 (69,5%) ohne Zustimmung der Mutter

In 41 Fällen (21,8%) wurden ungewöhnliche Schmerzen oder pathologische Symptome von den Geburtshelfern ignoriert.

  • In 10 Fällen (ca. 25%) entstand dadurch Lebensgefahr für Mutter und/oder Kind

5 Mütter berichten, dass sie während der Geburt von Geburtshelfern geschlagen wurden.

Auswertung psychischer Gewalt

140 Mütter (74,4%) berichten von mindestens einer Form psychischer Gewalt

  • 121 Mütter fühlten sich ausdrücklich nicht ernst genommen
  • 86 Mütter erfuhren Respektlosigkeit / Erniedrigung / Spott
  • 69 Mütter erlebten Entmündigung
  • 54 Mütter fühlten sich dem Personal ausgeliefert
  • 45 Mütter bekamen Vorwürfe und Schuldzuweisungen zu hören
  • 41 Müttern wurde bewusst Angst gemacht
  • 40 Mütter wurden beleidigt / beschimpft
  • 33 Mütter erlebten Relativierungen ihrer Empfindung („Stell dich nicht so an /da musst du jetzt durch / war doch gar nicht schlimm“ o.ä.)
  • 29 Müttern wurde mit Tod oder Behinderung ihres Kindes gedroht
  • 25 Mütter hatten Todesangst um sich und/oder ihr Baby
  • 20 Müttern wurde mangelnde Mitarbeit vorgeworfen
  • 17 Mütter wurden durch Lügen zur Einwilligung in Interventionen gezwungen
  • 15 Mütter erlebten die Geburt wörtlich als Vergewaltigung
  • 14 Mütter beschreiben, dass ihnen ihr Baby aus dem Bauch gerissen wurde
  • 10 Mütter wurden in ihrem Blut, Fruchtwasser oder in ihren Ausscheidungen liegen gelassen
  • 10x wurde die Geburt bewusst von Geburtshelfern sabotiert / nötige Hilfe verweigert

Diese Auswertung stellt nur Auszüge aus den Berichten dar, die uns von betroffenen Frauen und anderen Beteiligten zur Verfügung gestellt wurden. Sie kann weder die Dramatik der einzelnen Geburtsverläufe, noch die daraus resultierenden Folgen für die Mütter und ihre Familien abbilden. Jede betroffene Frau, die uns ihre Erfahrung berichtet hat, hat unsere größte Hochachtung, unseren Respekt und unser Mitgefühl. Keine Frau sollte auch nur eine der oben aufgeführten Erfahrungen während der Geburt ihres Kindes machen müssen.

 

 
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