Rose #81/2022


Es ist Samstag, ET+8, gegen vier Uhr morgens, als die ersten Wehen die Geburt meines ersten Kindes ankündigen.
Ich bin aufgeregt, habe aber auch ein wenig Angst vor dem was mich nun erwartet. Schlafen kann ich nicht mehr, ich versuche mich mit etwas Lesen abzulenken.
Beim Gang zur Toilette gegen 6 Uhr löst sich der Schleimpfropf: "Es geht los, es geht tatsächlich los!"
Mein Mann schläft noch. Ich versuche Ruhe zu bewahren, gehe duschen.
Nachdem auch er wach ist und wir gemeinsam gefrühstückt haben, rufe ich im Kreißsaal an. So war es im Vorfeld abgesprochen worden, eigentlich nur zur CTG-Kontrolle. Ich berichte von meinen Wehen.
Ganz in Ruhe sollen wir uns fertig und auf den Weg machen. Die Fahrt zur Klinik dauert ca. 30 Minuten. Die Fahrt ist unangenehm, ich würde mich mit den Wehen gern mehr bewegen.
Angekommen, mein Mann muss draußen warten.
Ein CTG wird geschrieben, der Muttermund abgetastet - 2cm. Ich bin etwas enttäuscht, hatte mir mehr erhofft.
Man will mich nicht gehen lassen, mein Mann darf aber auch nicht rein. Kompromisslösung: Ich darf mich mit ihm zusammen auf dem Klinikgelände bewegen, soll in spätestens zwei Stunden wiederkommen.
So sei es. Mein Mann muss wieder draußen warten.
Ich lasse mich zur Aufnahme überreden, mein Mann fährt wieder nach Hause.
Ich fühle mich allein. Gegen 16 Uhr soll ich mich zu einer weiteren Kontrolle im Kreißsaal einfinden. Die Zeit zieht sich, die Wehen fühlen sich heftiger an, seit ich allein mit mir beschäftigt bin.
Mein Zimmer ist weit weg vom Stationszimmer, niemand schaut mal nach dem Rechten.
Kontrolle, Muttermund 4cm, meine Enttäuschung wächst. Die Hebamme ist optimistisch, dass ich bei der nächsten Kontrolle gegen 19:30 Uhr im Kreißsaal bleiben könne.
Wieder endlose Stunden.
Halb 8, Muttermund immer noch bei 4cm, bleiben darf ich trotzdem. CTG sieht nicht ganz so toll aus, mein Baby hat Stress.
Die diensthabende Ärztin Dr. O. macht Druck, dass ich Infusionen bekommen soll.
Dauer-CTG, aber immerhin darf ich in die Wanne.
Fetale Herztöne bleiben gestresst, wieder raus aus der Wanne.
Mein Mann darf kommen, ist kurz vor Schichtübergabe da. Zum Glück.
Die Nachtschicht (Hebamme S.) stellt sich vor.
Die Chemie stimmt überhaupt nicht, ich kann sie sofort nicht leiden. Ich bettel darum, dass sie mit der anderen anwesenden Hebamme tauscht. Vergeblich.
Ab dem Zeitpunkt fühle ich mich hilflos ausgeliefert.
Sie zwingt mich auf das Gebärbett, indem sie mir Angst um mein Kind macht, mir mit Sectio droht.
Ab jetzt hat sie quasi permanent ihre Finger in mir. Ich will das nicht, kommuniziere das auch. "Das muss so!"
Zu gern würde ich aufrechtere Geburtspositionen ausprobieren, das Liegen treibt mich in den Wahnsinn! Die Ärztin, die ich eigentlich gar nicht im Kreißsaal haben will, schaut immer wieder rein, kommuniziert aber nur mit S., ich bin Luft.
22:35 Uhr, 6cm. Ich verzweifel. Meine Fruchtblase wird von Dr. O. gesprengt.
Es geht endlich etwas voran, die Schmerzen werden heftiger.
Dann endlich, ich verspüre Pressdrang! S., die Finger natürlich immer noch in mir, verbietet mir dem nachzugeben. Ich kämpfe mit mir, mir wird übel.
Kann es nicht mehr zurückhalten, schiebe in der nächsten Wehe.
Die Hebamme schimpft. Kämpfe wieder mit mir.
Dann Pause, kurz verschnaufen. Dr. O steht plötzlich neben mir. Sie wolle mir helfen, ich solle doch mal meinen Hintern anheben, dann könne sie mir ein Handtuch unterlegen.
Ich weiß woher der Wind weht, frage sie, ob sie meine Akte nicht gelesen habe, wo ich mich doch im Vofeld ausdrücklich gegen Kristellern ausgesprochen habe.
Sie reagiert patzig: "Dann muss ich eben von unten mithelfen!", und richtet demonstrativ die Saugglocke vor meiner Nase. Währenddessen die nächste Wehe, ich verarbeite den Ärger über die Ärztin in Energie. Es reicht aus, der Kopf ist da!
Kurz macht sich Genugtuung in mir breit, weil Dr. O. die Utensilien für die Saugglocke nun doch wieder beiseite schiebt.
Mein Kind ist nach zwei weiteren Presswehen kurz nach Mitternacht nun endlich da. Ich bin erleichtert, mein Baby liegt auf mir.
Die Ärztin macht sich an meiner Infusion zu schaffen, will die Nachgeburt etwas beschleunigen. Ungefragt.
Im Anschluss musste ich dann noch von dieser Ärztin wieder zusammengeflickt werden, weil ich mich ja nicht an die Anweisungen der Hebamme gehalten und gepresst habe, als ich es nicht sollte. So deren Aussage.
Im übrigen hab ich seit dem Nähen im rechten Oberschenkel immer noch wiederkehrend Taubheitsgfühle.
Was mich dann noch schockiert hat: Hebamme S. grinst mich kurz vor Verlegung auf die Station an, ich sei ja wie für's Kinderkriegen gemacht, wenn ich bis zum Schluss noch diskutieren könne.
Nun ja, aus meiner Sicht sieht es etwas anders aus.
Es ist traurig, dass ich mich in so einer verletzlichen Situation wie einer Geburt so sehr darum bemühen muss auch noch als Frau gehört und gesehen zu werden. Man hat es nicht für nötig gehalten mit mir in Interaktion zu gehen außer um mir (unnötig) Angst zu machen. Ich fühlte mich schutzlos ausgeliefert.
Dabei war ich extra zur Geburtsanmeldung dort und hab explizit vermerken lassen, dass ich Kristellern strikt ablehne und eine Sectio wirklich nur im Notfall durchgeführt wird, weil das mit meine größte Angst war. Stattdessen wurde genau diese Angst genutzt, um mich gefügig zu machen.
Ich spüre immer noch wahnsinnig große Wut und Trauer in mir, wenn ich an diese Nacht im August 2020 zurückdenke, weil diese beiden Menschen mir das Gefühl gegeben haben, dass eine Frau unter der Geburt nichts wert ist. Ihr Fokus lag allein auf meinem Baby.
Zum Glück durfte ich im April diesen Jahres eine heilsame zweite Geburt erleben.
Ich hatte im Vorfeld durch die erste Geburt wirklich Angst, hab zum Geburtstermin hin viel geweint und Panik gehabt, weil die Erinnerungen klarer denn je hochkamen.
Aber seit dieser zweiten Geburt fällt es mir etwas leichter über die erste zu sprechen und ich denke, das ist der Anfang um das Thema für mich endlich verarbeiten zu können..
Danke..

 
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