Rose #40/2022


Gerne würde ich meinen Erfahrungsbericht teilen: Ich war mit zwei-eiigen Zwillingen schwanger und hatte Gott sei Dank eine völlig komplikationslose Schwangerschaft bis zur 39. Woche. Nachdem ich zuvor das "grüne Licht" von allen mich behandelnden Ärzten (meiner Frauenärztin und der Ärztin der Geburtsklinik bei der Voruntersuchung) erhielt, fand ich mich in besagter Schwangerschaftswoche in der Klinik zur Einleitung ein. Im Nachhinein stelle ich auch die Entscheidung zur Einleitung seitens der Klinik in Frage, nachdem alles seinen natürlichen Gang hätte nehmen können; beide Babies lagen in Schädellage und der Körper tat bereits, was er geburtstechnisch tun musste.
In der Klinik angekommen, empfing mich der behandelnde Oberarzt. Auf einmal hieß es, die Kinder seien viel zu klein und alle im Mutterpass angegebenen Gewichtsschätzungen und Messungen seien falsch (er schätzte ihr Gewicht auf unter 2000 g) und würden eine natürliche Geburt nicht gut überstehen bzw. gar nicht überleben. Ich wurde komplett überrumpelt mit Aussagen wie "dies war eine künstliche Befruchtung, das ist ein Risiko und wir müssen einen Kaiserschnitt machen; die Kinder überstehen eine natürliche Geburt wahrscheinlich nicht bzw. nicht gut und wenn ich eine natürliche Geburt haben möchte, dann muss ich unterschreiben, dass ich die Verantwortung übernehme wenn den Kindern etwas passiert; aufgrund meines Alters (40) kann ich keine natürliche Geburt haben und aufgrund der Zwillingsschwangerschaft auch wenn die Babies beide sehr günstig liegen und zwei-eiig sind." Dies alles wurde mir in einem lapidaren Ton mitgeteilt und ich solle mich sofort! entscheiden, aber es käme nur ein Kaiserschnitt in Frage. Ich war komplett überrumpelt, spürte aber sofort, dass mir auf "Teufel-komm'-raus" ein Kaiserschnitt aufgezwungen wird. Ich war alleine in der Geburtsklinik, denn selbst zur Voruntersuchung oder zum Geburtsbeginn durfte keine Begleitperson dabei sein. Diese durfte erst dazustoßen, wenn die Geburt im Gange und das Baby "am kommen" ist. Entsprechend saß ich alleine da und wurde mit psychischem Druck in eine sofortige Entscheidung gezwungen mit o. g. Aussagen. Als ich weiter auf eine natürliche Geburt bestand bzw. warum man mir nicht den natürlichen Vorgang lässt und die Kinder von ganz alleine kommen lässt, verdrehte der Oberarzt vor mir die Augen! und fuhr mich äußerst ungeduldig an: "Was ist daran so schwer zu verstehen: Mit jedem Tag länger in Ihrem Bauch geht es den Kindern schlechter. Schauen Sie sich doch mal an und Ihren mickrigen Bauch, das ist doch schon ersichtlich, dass da etwas nicht stimmt. Ihren Kindern geht es in Ihrem Bauch nicht gut." Es wurde immenser psychischer Druck auf mich ausgeübt, damit das Personal einen schnellen, planbaren Kaiserschnitt haben kann. Und so willigte ich ein, da mir solche Angst um das Leben meiner Kinder gemacht wurde.
Bei Ankunft in der Klinik wurde ein PCR-Test gemacht. Den Kaiserschnitt musste ich trotz negativem Ergebnis mit Maske über mich ergehen lassen. Mein Kreislauf war sowieso komplett im Keller; ich war fix und fertig - psychisch sowieso und körperlich auch. Auf meine Bitte der prophylaktischen Gabe gegen Übelkeit erwiderte die Anästhesistin: "Wir geben nichts prophylaktisch gegen Übelkeit." Im nächsten Satz sagte sie: "Den meisten Patientinnen wird schlecht und sie übergeben sich. Hier, verwenden Sie das." Und mir wurde neben mein maskiertes! Gesicht eine Brechschale gestellt - meine Arme waren festgeschnallt, ich hatte keine Ahnung, wie ich die Schale hätte verwenden sollen. Viel Aufmerksamkeit hat man mir nicht geschenkt und es wurde kaum mit mir kommuniziert. Der Oberarzt sprach gar nicht mit mir; nicht einmal die Schritte, z. B. jetzt fangen wir an, jetzt holen wir die Kinder raus etc. Nichts, gar nichts. Ich lag wie ein Gegenstand da. Stattdessen haben sie sich über mich hinweg über asiatische und indische Restaurants unterhalten und wo Hähnchengerichte am besten schmecken. Das werde ich nie vergessen - während ich mit Übelkeit und Kreislaufproblemen dalag und nicht einmal etwas dagegen bekam. Die Anästhesistin schob mir dann auf einmal einen Schlauch unter der Maske in die Nase durch und meinte, das würde helfen, dass es mir nicht mehr schlecht ist?! Als die Kinder auf der Welt waren, hatten sie die Größe wie im Mutterpass vermerkt (sogar noch einen Ticken größer), waren rosig und reif. Und dann hat auch der Oberarzt das erste und letzte Mal mit einem Lächeln im Gesicht mit mir gesprochen, noch während ich auf dem OP-Tisch lag: "Ihre Kinder sind doch größer und reif, so wie im Mutterpass angegeben, das hat also alles gepasst und Sie hätten Ihre natürliche Geburt haben können. Aber jetzt ist es so über die Bühne gegangen." Mit dieser Aussage verschwand er und ich habe ihn nie wieder gesehen.
Der rabiaten Geburt (zu "rabiat" erwähne ich später noch etwas) folgte eine nicht sehr schöne Erfahrung auf der Wochenbettstation. Hier wurde der Personalmangel deutlich spürbar. Keine Hebamme hat sich meiner angenommen; es wurde mir nichts gezeigt, wo ich was finde, wie das mit dem Stillen funktioniert und auf was ich achten muss (eine Schwester sagte an einem Tag zu mir, ich müsse das so und so handhaben; am nächsten Tag kam eine andere Schwester und sagte wieder etwas komplett anderes; ... und so zog sich das über vier Tage). Es gab keine klare Linie, ein einziges Hin und Her, und ich war schlichtweg verzweifelt und völlig auf mich allein gestellt mit zwei Babies und höllischen Schmerzen. Die Kinder wurden mir nach dem Kaiserschnitt ins Zimmer gestellt und die Türe zugemacht; ich musste sehen, wie ich klarkomme und habe wie erwähnt nichts erklärt und gezeigt bekommen - nicht, wie man die Babies wickelt, wie man sie anzieht, in welchen Abständen gefüttert werden muss, ... gar nichts. Wenn ich geklingelt habe, dauerte es Ewigkeiten bis jemand darauf reagierte - und dann wurde erst einmal via Lautsprecher gefragt, was das Anliegen ist (auf ein Klingeln kam nie persönlich jemand ins Zimmer - es wurde erst über Lautsprecher gefragt, was los ist und dann nach Dringlichkeit eingeschätzt). Sprich, ich habe auch nachdem jemand via Lautsprecher mein Klingeln "beantwortet" hat teils noch eine Ewigkeit warten müssen, bis jemand zu Hilfe kam. Am letzten Tag meines Aufenthalts hat man mir das Stillzimmer gezeigt und mir vorwurfsvoll mitgeteilt, dass ich eigentlich schon längst mit dem Abpumpen hätte beginnen müssen um den Milchfluss anzuregen. Wiederum eine komplett neue Aussage, die mir vorher nicht mitgeteilt worden ist. Besagte Schwester, die mir das Stillzimmer zeigte, wies mich daraufhin an, in zwei-Stunden-Abständen die gesamte letzte Nacht, die ich im Krankenhaus verbrachte, abzupumpen. Sie würde sich die Milchmenge dann am nächsten Morgen ansehen. Also blieb ich die ganze Nacht wach und pumpte ab. Die Schwester sah ich allerdings nie wieder.
Die Zwillinge benötigten Aptamil zur Zufütterung. Um die Fläschchen zu erhalten, musste ich entsprechend klingeln, dass man sie mir brachte wenn ich fütterte. Sie sollten ja auch entsprechend aufgewärmt sein (und im Zimmer hatte ich keinen Flaschenwärmer). Jedoch gab es einige Male die Aussage via Lautsprecher, nachdem ich klingelte und um zwei Fläschchen für die schreienden Zwillinge bat: "Die müssen Sie sich schon selber holen; die bringen wir Ihnen nicht." Also musste ich die Babies allein lassen um die Fläschchen zu holen, die mir kalt!! übergeben wurden. "Besorgen Sie sich eben eine Tasse und stellen Sie sie da rein." Mit diesen Worten drehte sich die Schwester auch gleich wieder um und ließ mich stehen. Dieselbe Schwester kam, nachdem der eine Zwilling über Stunden gebrüllt hatte und ich um Hilfe bat, auch einmal in mein Zimmer und sagte geradeheraus in sarkastischem Ton: "Ja und, was soll ich jetzt machen?!". Und ging wieder hinaus! In den vier Tagen, die ich im Krankenhaus war, kam ich kaum zum essen. Wenn die Schwester kam und mein Tablett noch immer dastand und das Essen nicht angerührt war weil ich alleine nicht "herum kam", wurde mir nicht etwa Hilfe angeboten oder dass sich jemand meiner und der Zwillinge annahm, nein, mir wurde beauftragt ich sei dann selbst dafür verantwortlich, mein Geschirr zurück auf den Geschirrwagen zu bringen, man würde mir nicht hinterher räumen. Ein weiteres Beispiel der Gleichgültigkeit und wohl kompletten Überforderung und des Personalmangels war, dass meine Tochter einmal während des Windelwechsels Stuhl abließ, der auf dem Boden landete. Eine Schwester wickelte sie halbherzig. Als das Malheur passierte, war sie natürlich gar nicht begeistert und sagte mir, das würde sie irgendwann später sauber machen und verließ das Zimmer wieder. Auch diese Schwester habe ich nicht wieder gesehen und der Stuhlgang meiner Tochter wurde nicht einmal aufgewischt und blieb auf dem Boden liegen.
Ich wurde während meines Aufenthalts behandelt wie ein Depp und bekam die Breitseite der Frustration des Klinikpersonals voll zu spüren. Ich fühlte mich wie ein Spielball, Gegenstand und Frustablasser. In den vier Tagen habe ich keine Nacht geschlafen und acht Kilo abgenommen; als ich nach Hause kam sah ich aus wie ein Gespenst mit schneeweißem Gesicht, so fix und fertig war ich. Die Besuchszeiten waren täglich auf eine Stunde begrenzt, so dass mir niemand aus dem Familien- und Freundeskreis über einen längeren Zeitraum hätte helfen können mit den Zwillingen. Hinzu kamen höllische Schmerzen im Rippenbereich, die allerdings nicht weiter untersucht worden sind. Mir wurde jedesmal gesagt, das sei normal und ich solle Schmerztabletten nehmen. Niemand ging darauf ein. Als ich nach der Entlassung aus der Klinik von der Hausärztin untersucht wurde, stellte sich heraus, dass eine Rippe gebrochen war. Stichpunkt "rabiate Geburt" hat man mir während des Kaiserschnitts, als sie meine Tochter, die unterhalb des Rippenbogens lag, mit vereinten Kräften herausgedrückt haben, dabei die Rippe gebrochen (wohl durch die zu gewaltsame Anwendung des sogenannten Kristeller-Handgriffs wie meine Nachsorge-Hebamme meinte).
Ich habe voll zu spüren bekommen, dass das Personal keine Zeit und Lust hatte, sich mit den Patientinnen und Babies "abzugeben". Es hat sich niemand interessiert; es wurde weggesehen und keine Hilfe angeboten - und es war auch einfach niemand da. Die Zwillinge waren einmal nachts im Säuglingszimmer, da die Schwestern Hörtests durchführen wollten. Das Säuglingszimmer befand sich direkt neben meinem Zimmer - und ich habe stundenlanges Schreien vernommen. Ich ging in den Flur und nach nebenan: Das Säuglingszimmer war dunkel und abgeschlossen - und auf der Station weit und breit keine Schwester in Sicht. Ich stand da auf dem menschenleeren Flur während meine Babies im dunklen, verschlossenen Säuglingszimmer weinten. Die nächste Schwester kam Stunden später erst wieder; die Babies haben sich in die totale Erschöpfung geweint bis sie irgendwann eingeschlafen sind.
Ich kam als psychisches Wrack und dem Gefühl des kompletten Versagens nach Hause. Selbst jetzt, zehn Monate später, habe ich die Geburt noch immer nicht verarbeitet. Ich bin froh, dass es den Zwillingen gut geht, die quietschlebendig, lebhaft und glücklich sind und prächtig wachsen und gedeihen. Ich wünsche mir, irgendwann dieselben unbelasteten Glücksgefühle zu verspüren ohne die negativen Schatten der Geburt und der negativen Menschen, die mir und uns das Geburtserlebnis nach einer so tollen Schwangerschaft komplett zunichte gemacht haben. Es fühlt sich an wie ein Übergriff und ein Raub in Begleitung mit Respektlosigkeit und Demütigung - und nicht wie das schönste auf der Welt. Meine Wünsche wurden nicht berücksichtigt; ich wurde über nichts informiert; es wurde einfach gemacht - das war am schnellsten und einfachsten und kostete dem Personal die wenigste Zeit.
Dies ist mein Bericht.

... Ergänzend zu meinem gesendeten Geburtsbericht möchte ich noch mitteilen, dass ich um ein Gespräch mit dem leitenden Oberarzt gebeten habe, um meine Erlebnisse und wie man mich behandelt hat zu besprechen. Ein Gespräch mit ihm kam jedoch nie zustande mit der Begründung, dass er mit gesetzlich Versicherten keine Gespräche führt, sondern nur mit Privatpatienten. Der Geburtsbericht, den ich angefordert habe, wurde mir lückenhaft übersendet (teils fehlten über fünf Seiten am Stück).

 
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