Rose #63/2022


Ich habe gestern am Roses Revolution Day 2022 meine 1. Rose niedergelegt, mein Sohn ist – ebenfalls im November –  zwei Jahre jung geworden und ich habe nach seiner Geburt Gewalt und damit seelischen Schmerz im Kreißsaal erfahren.
Schon zur Geburt meiner ersten Tochter vor fast sieben Jahren lief es überhaupt nicht rund. Ich bin eine Mama, die seit über 12 Jahren mit einer gut eingestellten HIV-Infektion lebt und ansonsten ein ganz normales Leben mit einer gesunden Familie lebt.
Allerdings ist diese HIV-Infektion in mir oft der Grund für allerlei komische Dinge, die mir – und auch anderen Menschen mit HIV – besonders im Gesundheitswesen passieren. Zur Geburt meiner Tochter war ich noch sehr optimistisch, dass alle wissen was zu tun ist und sich Ärzte/Ärztinnen wie auch Pflegepersonal diskret und professionell uns gegenüber verhalten würden. Am Tag des Kaiserschnitts, der aufgrund von Beckenendlage empfohlen wurde, erfuhren wir nach Ankunft, dass unsere Tochter nach der Geburt auf die Kinderstation zur Beobachtung kommen sollte. Dieses Prozedere war im Geburtsplanungsgespräch nicht so abgestimmt und auch mein schriftlicher Geburtsplan verlangte, dass mein Kind nach der Geburt bei mir auf dem Zimmer sein sollte und nirgendwo anders. Wir hatten sehr viel Ärger im Bauch und konnten zumindest noch vor der Geburt mit dem leitenden Kinderarzt besprechen, dass in unserem Fall anders verfahren werden würde.
Wegen dieser Erfahrung entschieden wir uns zur Geburt unseres zweiten Kindes und auf Empfehlung meiner Schwerpunktärztin für ein anderes Klinikum und man pries uns die Zusammenarbeit auf dem Gebiet HIV als zeitgemäß und gut an. Ich plante genau wie beim ersten Mal alles schriftlich und hinterließ den Geburtsplan bei der Ärztin, die den Kaiserschnitt durchführen würde. Auch dieses Mal riet man mir zum Kaiserschnitt, falls ich übertragen würde und man kein Risiko eingehen wolle. Ich selber wünschte mir eine Spontangeburt, aber die Wehen blieben leider bis zum errechneten Datum aus. Am Tag der Geburt also standen wir wieder gemeinsam im Zimmer und die Schwester erwähnte völlig beiläufig, dass unser Sohn nach der Geburt auf die Kinderstation verlegt werden würde. Wir erlebten entsetzt ein Déja Vu, aber dieses Mal machte sich keiner der Ärzte die Mühe, uns vor dem Kaiserschnitt noch sprechen zu wollen. Nachtragend wie ich gerade bei diesem Thema bin, unterstelle ich völlige Absicht und berechnende Missachtung unserer Wünsche.
Nachdem mein Sohn auf der Welt war und ich glücklich mit ihm auf der Brust ein paar Minuten im Kreißsaal liegen durfte, kam endlich ein Arzt zum Gespräch. Anstatt aber auf uns einzugehen teilte er mir mit, dass gleich eine Schwester kommen und den Kleinen auf die Kinderstation bringen würde. Kurz danach riss mir schon eine Schwester wie angekündigt meinen Sohn aus dem Arm und ließ mich alleine zurück. Mein Mann durfte noch kurz mit auf die Kinderstation mit gehen und versicherte mir, dass er für unsere Rechte kämpfen würde. Wegen Corona durfte er nicht lange bei unserem Baby bleiben, er berichtete mir am nächsten Tag, dass der Kleine mit einem weiteren fremden Baby und dessen Mutter auf einem Zimmer untergebracht sei und er bereits mit dem Anwalt und unserer Kinderärztin telefoniert hatte um sich abzusichern, falls wir uns selbst entlassen würden.
Es kam so schrecklich wie es kommen musste, man ließ mich am Tag der Geburt allein auf der Wöchnerinnenstation zurück und ich fühlte mich in der ersten Nacht, als ob man mir mein Herz entrissen hatte. Zum Glück bekam ich starke Schmerzmittel und war innerlich wie äußerlich betäubt. Es dauerte bis zum Mittag des nächsten Tages und mein Mann hatte viele Telefonate und Gespräche geführt bis ich endlich meinen Sohn auf mein Zimmer gebracht bekam. Ich selber hatte mit der Antidiskriminierungsstelle der Deutschen Aidshilfe telefoniert und im Hintergrund versucht, gegen diese veralteten Vorgaben anzukämpfen. Im Jahr 2019 waren neue modernere Leitlinien veröffentlicht worden zur HIV-positiven Mutterschaft und ich hatte sie inhaltlich mit dem Kinderinfektiologen vor der Geburt besprochen. Es ist unglaublich, dass man selbst heute noch diese Fortschritte in der Medizin missachtet und seine eigene Suppe kocht.
Ich habe diese Rose insbesondere an die Infektiologen gerichtet und arbeite ehrenamtlich als Buddy im Projekt Sprungbrett der Deutschen Aidshilfe um zu verhindern, dass andere positive Mütter solche Erfahrungen machen müssen. Niemand darf aufgrund seiner HIV-Infektion diskriminiert werden, wir sind unter Therapie nicht ansteckend und es gibt nichts was dagegen spricht, dass wir gesunde Kinder zur Welt bringen.

 
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