Rose #14/2022


Das schlimmste an der Geburt meines Kindes sind nach wie vor die ganzen Vorwürfe, die ich mir selbst mache, obwohl ich objektiv betrachtet weiß, dass ich nichts hätte anders oder besser machen können. Mein Herz blutet so sehr…
Ich sollte mich in der 39+3 SSW im Krankenhaus vorstellen, weil mein Blutdruck so stark angestiegen war. Es war nichts gravierendes, aber sollte mittels einer Langzeitblutdrucksmessung kontrolliert werden. Bei der Untersuchung winkte der behandelnde Arzt direkt ab und meinte, dass es nicht schlimm wäre, es gäbe höhere und bedrohlichere Blutdruckwerte. Im Krankenhaus sollte ich trotzdem erstmal bleiben. Im Nachhinein war mir klar, das man das Prozedere dann natürlich gut abrechnen kann. Das Gerät sollte ich auch erst am nächsten Tag bekommen, also war ich an diesem Tag quasi komplett umsonst dort. Ich wurde in ein Zimmer mit einer Neumama gesteckt, deren Baby die Geburt fast nicht überlebt hat und wiederbelebt werden musste. Das hat mich in dem Moment extrem getriggert, gerade auch in Anbetracht der folgenden Tage. An diesem Tag gingen bei mir allerdings die ersten (leichten) Wehen los. Noch nicht regelmäßig und auch nicht sonderlich stark, aber ich habe sie gespürt und war dann auch entsprechend aufgeregt. Natürlich bekam ich auch eine Kanüle gesetzt und dann auch alsbald schon sämtliche Medikamente. Auf meine Frage hin, was das alles wäre und wofür ich das bräuchte, bekam ich weder von Schwestern noch von einem Arzt eine Antwort. Es war auch ein Antibiotikum dabei, aber ich weiß auch immer noch nicht wofür ich das bekommen habe. Ich sollte dann in den Kreißsaal, um ein CTG zu schreiben. Dieses zeigte, wie auch an allen folgenden Tagen, keine Wehen an. Die Hebamme erzählte mir dann etwas von Kindsbewegungen und dass Mamas oftmals Schwierigkeiten hätten, das Kind loszulassen und deswegen hätte man „Bauchschmerzen“. Das kenne sie von ihren Zwillingen Zuhause, wenn sie (wie zu dem Zeitpunkt) zur Nachtschicht muss und sie ihre Jungs am nächsten Tag nicht zur Schule bringen könne. Außerdem würden Erstgebärende IMMER über den ET gehen und demnach würde das Baby ja jetzt noch nicht kommen, schließlich bin ich ja nur zur Blutdruckkontrolle da und möchte ja auch nochmal nach Hause. Diese Aussage hatte mich zu dem Zeitpunkt schon leicht irritiert, aber ich dachte eben, dass sie schon wissen würde, was sie da tut. Am nächsten Tag hatte ich natürlich immer noch Wehen. Nach wie vor unregelmäßig, aber doch stärker werdend. Ich wurde dann durch das halbe Klinikum geschickt, um mir das Langzeitblutdruck-Gerät anschließen zu lassen. Während mir das Gerät angeschlossen wurde, hatte ich entsprechend auch Wehen und die Frau schaute mich total entsetzt an und bestätigte meine Vermutung, dass dieses Gerät keinen Sinn ergibt, wenn man schon Wehen hat und es sei auch normal, dass kurz vor der Geburt der Blutdruck ansteigt. Auch sie war irritiert von dieser Intervention. Ab diesem Zeitpunkt fangen bei mir leider (oder zum Glück?) ganz viele Gedächtnislücken an und ich erinner mich nicht mehr genau, was wann und wie und warum passiert ist. Mittwochs bin ich ins Krankenhaus gegangen, an dem Tag gingen auch die Wehen los, mein Kind wurde aber erst am Samstag (3 Tage später) geboren. In der ganzen Zeit wurde ich von keinem Arzt angeschaut. Ich hatte 2 Wehenstürme. Ich habe unzählige Medikamente, unter anderem auch Schmerzmittel bekommen, teilweise ohne gefragt oder aufgeklärt zu werden. Die Nachthebamme versuchte mir bis Samstag einzureden, als ich bereits alle 2 Minuten starke Wehen hatte, das es sich um Kindsbewegungen handele und ich mein Kind nicht loslassen wolle. Sie legte mir ein zusammengerolltes Handtuch unter meinen Bauch, damit ich die Bewegungen aushalte, denn ich will ja schließlich nochmal nach Hause. Die anderen Hebammen, die über den Tag verteilt da waren, waren nicht ansprechbar. Sie reagierten auf keine Fragen, halfen nicht oder erklärten nichts. In meiner Gedächtnisblase rannten sie die ganze Zeit wie Robotoren durch die Gegend, gaben mir Schmerzmittel, die solange ich im Kreißsaal war, wirkten und dann wieder nachließen. Eine Hebamme ist mir besonders im Gedächtnis geblieben, die komplett empathielos und inkompetent war. Sie wusste nicht mal, wie man das CTG richtig anschließt, hatte sowieso keinerlei Zeit oder Lust. Einmal brüllte sie auf dem Flur des Kreißsaals auf die Frage einer Schwester hin, dass sie „das scheiß Kind doch einfach auf die Intensivstation bringen solle“. Ich war nicht die einzige (werdende) Mama, die das hörte. Auch auf der Station konnte ich keine besseren Erfahrungen sammeln. Je länger die Wehen andauerten, umso weniger Kraft hatte ich. Und natürlich wurde ich auch zunehmend unsicher, weil ich nicht wusste was mit mir und uns passierte. Was sollte das alles sonst sein? Ich habe viiiiel geweint und oft gesagt, dass ich mir vor käme als würde ich hier nur simulieren. Das wurde von einigen Schwestern damit abgetan, dass das nur die Hormone seien, die verrückt spielen. Und ich solle aufhören zu heulen. Eine Schwester rief mir auf dem Flur hinterher, als ich mir weinend und regelmäßig wehend etwas zu trinken holen wollte (ich konnte kaum noch Laufen), dass es ja „anscheinend doch nur Übungswehen seien, sonst wär das Kind ja schon lange da.“ Außerdem hatte ich einen richtigen Terminplan fürs Krankenhaus bekommen, wann ich mir wo Blutdruck messen lassen musste (zusätzlich zum Langzeitblutdruck) und wann ich welche Medikamente einnehmen sollte. Es waren so viele Termine, dass ich es nicht immer alles rechtzeitig geschafft habe, sodass mich eine Schwester für das Vergessen jedes Mal angemeckert hat. Oder auch weil ich es vor Schmerzen nicht mehr geschafft habe meine Schuhe in den Schrank zu räumen. Ich habe es nur bis vor mein Bett geschafft… Irgendwann hatte ich dann auch schon starke Blutungen, was allerdings niemand ernst genommen hat…
Freitags (Tag 3 mit Wehen) habe ich absolut nichts anderes mehr gemacht als geweint. Vor Schmerz und weil ich einfach keine Kraft mehr hatte… Es war so schlimm, dass ich mich bei niemanden meiner Familie mehr melden konnte. Sie haben sich dann ins Krankenhaus reingeschlichen und wollten mich rausholen und in ein anderes Krankenhaus bringen. Wollte ich auch machen, aber ich hatte absolut keine Kraft mehr dazu. Zudem hatte ich mir auch schon so viele Sorgen wegen der Medikamente gemacht… Die ganze Schwangerschaft war ich darauf bedacht keine Medikamente zu nehmen und innerhalb von 3 Tagen wurde ich so extrem damit vollgestopft. Ohne Auf- oder Erklärung. Ich hatte Angst, dass man das in dem neuen Krankenhaus nicht berücksichtigen könne und ich wollte meinem Kind nicht noch mehr Schaden zufügen. Außerdem versuchten sie mit einem Arzt oder einer Hebamme zu sprechen, um herauszufinden, was eigentlich grad das Problem ist. Eine der Hebamme log sie daraufhin einfach an. Eine Schwester beleidigte sie aufs übelste. Und auch ich hatte ab dem Zeitpunkt wenig zu lachen, weil alle Schwestern und Hebammen, die sowieso schon völlig inkompetent und für mich nutzlos waren, nun noch zusätzlich damit anfingen mir Vorwürfe und mich fertig zu machen, obwohl ich nicht mal mehr dazu in der Lage war, etwas zu erwidern. In der Nacht von Freitag auf Samstag kam auch nochmal die Hebamme mit den Kindsbewegungen zu mir ans Bett, weil ich mich geweigert habe zu ihr in den Kreißsaal zu gehen. Sie fasste meinen Bauch an und meinte, dass er ja nicht mal hart werden würde, obwohl ich es selbst spürte. Schon seit Tagen… ich kämpfte mich durch die ganze Nacht mit höllischen Schmerzen und Sorge um mein Kind, doch ich wollte definitiv nicht wieder zu dieser Hebamme. Ich wusste, dass 6.30h Schichtwechsel war. Um Punkt 6.31h ging ich also rüber zum Kreißsaal. Das war dann der 4. Tag und ich habe beschlossen, dass ich jetzt einen Kaiserschnitt will. Anders hätte ich es nicht mehr geschafft. Anscheinend hatte das Auftauchen meiner Familie Wellen geschlagen, denn endlich schaute mich ein Arzt an und es wurde festgestellt, dass der Muttermund schon geöffnet sei. Dann durfte ich auch offiziell in den Kreißsaal. Nach stundenlangen CTG kam eine Hebamme, die ich noch nicht kannte. In dem Moment war ich sehr froh… bis sie ungefragt eine KSE am Kopf meines Kindes befestigte und die Fruchtblase geplatzt hat. Ich fragte, warum sie das gemacht hat und sie meinte bloß „Wollen sie in 2h immer noch unverändert hier liegen?“ Kraft zum diskutieren hatte ich keine mehr. Ich wurde auch einfach in Rückenlage auf ein Bett verfrachtet, obwohl ich gern in die Wanne gegangen wär. Oder wenigstens nicht auf dem Rücken liegend… Leider wurde mir auch nicht gezeigt, wie man richtig atmet. Dementsprechend kribbelte mein kompletter Körper und ich war kurz davor ohnmächtig zu werden. Meine Partnerin fragte dann, wie ich richtig atmen muss und dann klappte auch alles gut. Zwischenzeitlich bekam ich auch verschiedene Schmerzmittel… Als mein Baby endlich da war, gab es keine Möglichkeit dazu, die Nabelschnur auspulsieren zu lassen. Auch das tut mir heute noch unendlich leid… die Nachgeburt wurde mit dem Kristeller-Handgriff der Hebamme rausgedrückt… ohne Vorbereitung… das war super unangenehm und schmerzhaft und ich bin mir sicher, dass das nur aufgrund des Zeitdrucks gemacht wurde. Ich wurde dann 4h blutverschmiert und nackt mit meinem Baby im Kreißsaal gelassen. Ich habe häufig geklingelt und habe gefragt, ob mir jemand zeigen kann, wie ich sie richtig anlegen muss, weil sie durstig war. Allerdings war dafür keine Zeit und ich wurde jedes Mal dafür angeschimpft. Endlich kamen eine der unmöglichen Hebammen und eine der unmöglichen Schwestern und sie wollten mich nackt und blutverschmiert in mein Zimmer schieben. Dafür hätte ich am Publikumsverkehr des Krankenhauses langgeschoben werden müssen. Zum Glück hatte ich meinen eigenen Bademantel dabei, den ich mir umziehen durfte. Was ich auch noch so sehr bereue ist, dass man mir für die Nacht mein Baby weggenommen und in einem anderen Zimmer hat schlafen lassen. Das ergibt auch im Nachhinein noch keinen Sinn und bricht mir total das Herz, denn man hat ihr dort auch einfach ohne meine Erlaubnis Flaschennahrung gegeben. Weil ich so unsicher war, habe ich das im Krankenhaus auch so fortgeführt. Mittlerweile bereue ich auch das zutiefst. Glücklicherweise hat es mit dem Stillen dann doch geklappt, zwar etwas verzögert, aber das war mir dann erstmal egal! Mein Kind wurde mit einem Kephalhämatom geboren, was wohl typisch für eine derart lange Geburt ist. Außerdem müssen wir seit ihrer Geburt ständig zum Lösen ihrer Blockaden, da diese sie in ihrer Bewegung einschränken. Anschließend ist immer Physiotherapie nötig.
Mittlerweile läuft soweit alles gut, allerdings merke ich im Alltag an mir selbst, dass ich nicht in der Lage bin mich selbst zu strukturieren oder zu organisieren, was vorher nie der Fall war. Ich habe total Angst davor die Kontrolle zu verlieren. Auch fühle ich mich meinem Kind gegenüber absolut schuldig, obwohl ich objektiv gesehen nichts verkehrt gemacht habe. Ich hoffe einfach, dass ich das Erlebte irgendwann gut akzeptieren kann.

 
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