Rose #46/2022


Eine "Coronageburt" im Herbst 2021

Ich wurde Monate nach dem Beginn der Pandemie mit meinem zweiten Kind schwanger und habe viele schreckliche Geschichten aus der Anfangszeit gehört. Einsam verstorbene Pflegebedürftige. Mit Wehenschmerzen alleingelassene Frauen und ausgesperrte Männer. Mein ET war im September 2021 und ich hatte eine tolle erste Geburt gehabt. Also war ich dennoch (naiverweise...) relativ entspannt. Sicher hätte man in dieser Zeit doch zu einem vernünftigen Infektionsschutz und Menschlichkeit zurückgefunden? Sicher hätten sich mittlerweile genug Menschen beschwert und man hätte darauf reagiert?

Falsch.

Im Herbst 2021, bei niedrigsten Inzidenzen, machten wir uns (beide doppelt geimpft) mit einem hohen Blasensprung zum Krankenhaus auf. Dort wurden wir beide negativ getestet und durften auch zunächst zusammen in einen Kreißsaal. Da ging es dann leider aber nicht schnell genug und uns wurde dann mitgeteilt, dass wir hier unnötig einen Kreißsaal belegen würden (an sich ok) und mein Mann deshalb jetzt zu gehen hätte, da er nicht mit auf Station dürfe (trotz des dort von mir gebuchten Einzelzimmers). Widerspruch und alle Bitten waren zwecklos. Der zur Regeldurchsetzung vorgeschickte "Hausdrache" unterschied nicht mal mehr zwischen Klinik und Parkplatz und wollte sogar darauf bestehen, dass mein Mann sofort heimfährt.
Völlig deprimiert ging ich also auf die Station und mein Mann zum Auto. Dort blieb er stundenlang. Die zwar sachten aber stetigen Wehen verschwanden. Die Geburt riss vollständig ab. Was ein Wunder. Ich verbrachte die nächsten anderthalb Tage (!) zwischen Klinik und Parkplatz, mein Mann - bei mehreren Fahrten zwischen unserem Wohnort und der Klinik - zwischen Parkplatz und dem Backshop des lokalen Supermarkts. Man muss kein Epidemiologe und kein Virologe sein, um zu verstehen, dass dies unmöglich zur Reduktion von Infektionsmöglichkeiten beigetragen haben kann.
Auch eine Einleitung mit Wehencocktail zeigte keinerlei Wirkung.
In der zweiten Nacht allein in der Klinik brach sich die so "aufgestaute" Geburt dann aber Bahn. Und wie. Ich wurde praktisch von einer Minute auf die andere in einen Wehensturm geschleudert. Von "Muttermund bei 1-2 cm" bis "Kind da" hatte ich etwa eine Stunde. Eine. Stunde. Ich habe wie gesagt schon einmal ein Kind geboren. Spontan, ohne PDA. Was ich in dieser Stunde erlebt habe, war damit nicht zu vergleichen. Ich hatte Schmerzen, als würde man mich ausweiden (heute weiß ich, dass das ein Zeichen für eine drohende Uterusruptur ist) und Todesangst. Kein Anästhesist hätte mir mehr eine PDA setzen können, so hat es mich herumgeworfen. Nachdem die diensthabende Hebamme (die an sich in Ordnung war) verstanden hatte was los war, und mit bangem Blick mich und das CTG beobachtete, "durfte" mein Mann alarmiert werden. Der schaffte es nicht mehr rechtzeitig und stürzte (noch mit Winterjacke) in den Kreißsaal, als Kopf und Schultern bereits geboren waren.

Diese Ereignisse haben mich nachhaltig traumatisiert, mir jedes Vertrauen in die klinische Geburtshilfe genommen und unserer gesamten Familie sehr geschadet.
Dass diese Regelungen im Winter 2022 immernoch vielerorts - auch in meiner Geburtsklinik - in Kraft sind zeigt den Stellenwert von gebärenden Frauen in unserem Gesundheitswesen und unserer Gesellschaft. Ich werde das - trotz der Aufforderung von Jens Spahn - weder vergessen noch verzeihen.

 
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